Die Mitglieder des 1870 beim Osteroder Amtsgericht eingetragenen „Vorschuss-Verein zu Osterode“ beschlossen im Januar 1925 die endgültige Auflösung ihrer Kreditgenossenschaft und bestellten Liquidatoren. Über die erste, in der Tradition Hermann Schulze-Delitzsch’s stehende Genossenschaftsbank in Osterode ist zwar wenig bekannt, doch die „Vereinsbank Osterode eGmbH“ sah sich als ihre Erbin.1 Die Vereinsbank wurde am 25. Oktober 1924 von zwölf Handwerkern und Geschäftsleuten im Gasthof Adolf Jäger gegründet. Aus den ersten Wahlen gingen Albert Jahns als Vorsitzender des achtköpfigen Aufsichtsrates hervor. Joseph Wiemers nahm die Wahl zum Vorstandsvorsitzenden an. Der Geschäftsanteil von 100 Reichsmark durfte in Raten gezahlt werden. Die Haftsumme betrug 500 RM. Der Geschäftsbetrieb begann in gemieteten Räumen in der Dörgestraße, bis 1938 zog die Vereinsbank noch mehrfach um. Nach einem halben Jahr zählte die Vereinsbank schon 140 Mitglieder und wies einen Umsatz von 1,5 Millionen Reichsmark nach.2
Der Geschäftsumfang nahm trotz der von der Reichsbank beschlossenen Kreditbeschränkungen sehr schnell zu. Bald standen jedoch die Ausleihungen in keinem gesunden Verhältnis mehr zu den Einlagen. Auf einer außerordentlichen Generalversammlung wurde ein Jahr nach der Gründung der Geschäftsanteil auf 250 Reichsmark angehoben. Gleichzeitig stimmten die Mitglieder einer Erhöhung der Kreditobergrenze auf 200.000 Reichsmark zu.3
1926 geriet der anfängliche Höhenflug ins Stocken. Die Osteroder Volksbank kämpfte aufgrund des schlechten Rückzahlungs-Willens der Kreditnehmer mit ernsten Problemen.4 Zudem kam es zu einer Änderung im Vorstand. Er bestand nunmehr aus Bankdirektor Harry Harnack, Bankdirektor Adolf Specht und Syndikus Dr. Wilhelm Schwemmler.5 Zeitgleich mit der im Oktober 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise, aber nicht durch diese bedingt, liefen der Vereinsbank die Mitglieder liefen davon und kündigten ihre Spareinlagen. Als die Zentralbank Unterstützung in größerem Rahmen verweigerte, wurde die Vereinsbank zum Sanierungsfall.6 Im November 1929 erfolgte die Amtsenthebung Harry Harnacks, Albert Jahns übernahm bis zum 4. Februar 1930 den Vorstandsvorsitz. Das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden übte Richard Otte aus.7
Der Niedersächsische Genossenschaftsverband steuerte 1930 10.000 Reichsmark zur Verlustdeckung bei, die Zentralbank Hannover gewährte eine Beihilfe von 5.000 Reichsmark. Die Geschäftsguthaben wurden auf das Verlustkonto abgeschrieben und der Reservefonds herangezogen.
Auch die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates wurden in die Pflicht genommen – mit einer Gesamtzahlung von 46.000 Reichsmark, die sie in Raten an die Zentralbank begleichen sollten.8 Darüber kam es jedoch zu einem mehrjährigen Rechtsstreit. Der Geschäftsanteil wurde kurzfristig auf 500 RM angehoben, aber bald wieder halbiert.9 Im März 1930 übernahm Anton Waller den Vorsitz des Aufsichtsrates, als Bankvorstand fungierte W. Ahrberg.
1933 zählte die Bank nur noch 98 Mitglieder. Vorsitzender des Aufsichtsrates wurde im März 1933 der Jurist D. Alfred Pfau – ein bekennender Nationalsozialist. Dr. Wilhelm Schwemmler legte ein halbes Jahr später „im besten Einvernehmen mit den Mitgliedern der Verwaltung“ sein Amt als Aufsichtsratsmitglied nieder. Der bisher aus sechs bis neun Mitgliedern bestehende Aufsichtsrat wurde auf drei bis sechs Mitglieder verschlankt. Ludwig Finke und Reinhard Gottwald leiteten die Vereinsbank hauptamtlich.10
1935 hatte die Vereinsbank die Krisenjahre überstanden. Innerhalb eines Geschäftsjahres waren die Spareinlagen um mehr als 42 Prozent gestiegen, Wechsel um 38 Prozent und die umlaufenden Schecks um mehr als 51 Prozent. Vorstand und Aufsichtsrat versprachen sich von den bevorstehenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die wirtschaftliche Stärkung ihrer Mitglieder aus dem gewerblichen Mittelstand.11 1938 hatte sich die Geschäftslage weiter verbessert, die Liquidität galt als gesichert. Anfang 1938 beschloss die Generalversammlung den Ankauf eines Hauses am Königplatz 3. In der ersten Etage mietete die Kreishandwerkerschaft Räume. In diesem Jahr kam es zur Umbenennung in „Osteroder Volksbank eGmbH“.12 Sie verfügte laut Inventarliste 1938 einen Geldschrank mit 40 Schließfächern, einen Kassentisch, sieben Schreibtische, zwei Tresen für den Kassenraum, und neben zwei „Adler-Schreibmaschinen auch eine Additions- und Subtraktionsmaschine.13
Reinhard Gottwald schied im Juli 1941 krankheitsbedingt aus, stattdessen wurde Bankkaufmann und Kolonialwarenhändler August Crome geschäftsführendes Vorstandsmitglied.14 Die Kriegszeit war, wie bei allen Geldinstituten, durch den steigenden Geldumlauf von regelmäßigen Anhebungen der Passivkreditgrenze geprägt, 1944 stimmten die Mitglieder einer Erhöhung der Grenze auf zwei Millionen Reichsmark zu.15 Im gleichen Maße stiegen die Sparguthaben. Die Osteroder Vereinsbank setzte ihre liquiden Mittel vollständig in Wertpapieren des Reiches an.16 1943 betrug der Jahresumsatz bereits mehr als 8,2 Millionen RM.17
Ende des Krieges gehörten der Volksbank noch 79 Mitglieder an. Dr. Albert Pfau musste sofort den Aufsichtsrat verlassen und wurde durch Ernst Knepel ersetzt. Eine Generalversammlung fand 1945 nicht statt.18 1947 amtierte M. Höser als Vorsitzender des Aufsichtsrates, Knepel schied aus. August Krome bildete weiterhin, gemeinsam mit August Mackensen den Vorstand. 1946 trat auch hier eine Änderung ein: Anstelle Mackensens traten neben Krome Gustav Mellinghausen und eine weitere Person. Der Geschäftsführer Ludwig Finke befand sich noch in Kriegsgefangenschaft.19
Die Nachkriegsjahre blieben von Unsicherheit und der Erwartung einer Währungsreform geprägt. Als sie im Juni 1948 durchgeführt wurde, kam auf die Volksbank enorme Umrechnungsarbeiten und Bilanzaufstellungen zu. Erst im Mai 1952 behandelte die Generalversammlung die Geschäftsjahre 1947 bis 1951, die Schlussbilanz der alten und Eröffnungsbilanz der neuen DM-Währung. Noch arbeitete die Volksbank nicht rentabel, weil sie aufgrund staatlicher Kreditrestriktionen und geringem Eigenkapital kaum Kredite bewilligte.
Am 1. Juli 1950 wurde Heinrich Ochs auf Empfehlung des Niedersächsischen Genossenschaftsverbandes zum hauptamtlichen Vorstandsmitglied bestellt.20 Der 1950 in den Aufsichtsrat gewählte Kaufmann Heinrich Strüver übte 1952 dessen Vorsitz aus, ein Jahr später gab er den Vorsitz an den Kaufmann Heinrich Kracke ab.21
Ein Geschäftsanteil betrug 250 DM, für die Haftsumme wurde die gleiche Summe bestimmt.
Im Februar 1953 stimmte die Generalversammlung einer erneuten Umbenennung der Kreditgenossenschaft in „Volksbank Osterode eGmbH“, auch eine neue Satzung nach dem Muster des Deutschen Genossenschaftsverbandes wurde genehmigt. Die Mitglieder sparten wieder und beteiligten sich seit 1952 am Gewinnsparen. Eine Anhebung der Höchstgrenze für Einzelkredite auf 20.000 DM zeigte: in Osterode kündigte sich zaghaft das Wirtschaftswunder an.22 Eine erste Filiale wurde 1955 in Herzberg eröffnet.
Die Bank entwickelte sich zur größten Zufriedenheit von Vorstand und Aufsichtsrat: Allein 1955 verzeichnete sie 74 Neuzugänge. Der Umsatz konnte im gleichen Jahr um 22 Prozent auf 72 Millionen DM gesteigert werden.23 Weil die Geschäftsräume nicht mehr ausreichten, kaufte die Volksbank ein Haus am Kornmarkt. Nach dem Abriss des Vorgängerbaus errichteten Handwerker aus der Region einen Neubau, der im Oktober 1960 feierlich eröffnet wurde.24
Die 1960er Jahre verliefen noch deutlich erfolgreicher. An der mehrfachen Erhöhung der Kreditgrenzen für Einzelmitglieder bis auf eine halbe Million DM am Ende des Jahrzehnts zeigte sich die wichtige Rolle der Volksbank als aktiver Mittelstandsförderer: Der gesamte Landkreis profitierte von neuen Arbeitsplätzen und steigender Kaufkraft.25 Die Volksbank weitete ihr Geschäftsfeld mit Immobilienvermittlungen, Hausverwaltungen, einer Reiseabteilung, dem Versicherungs- und Bauspargeschäft erheblich aus.26 Eine Stadtfiliale befand sich am Steilen Ackerweg 1, 1969 eröffnete die Volksbank Osterode eine Filiale in Eisdorf.
Seit 1966 gehörte Willi Bliedung neben Heinrich Ochs hauptamtlich dem Vorstand an.
1971 stimmte die Generalversammlung einstimmig der Festlegung für Anleihen und Spareinlagen auf 50 Millionen DM zu. Die Einzelkreditgrenze näherte sich der 1-Million-Marke .27 Erneut musste an einen Umzug in größere Räumlichkeiten gedacht werden. 1972 bezogen die Beschäftigten einen Neubau an der Sösepromenade 14, die Geschäftsstelle am Kornmarkt blieb erhalten, eine weitere Filiale war ein Jahr zuvor in Freiheit eröffnet worden.
Nach 20 Jahren als Aufsichtsratsvorsitzender gab Heinrich Kracke sein Amt im September 1972 an Ernst Biermann weiter.28 Am 2. Januar hatte der Aufsichtsrat bereits Peter Ohlendorf zum dritten Vorstandsmitglied bestellt.
1976 verkündete Direktor Willi Bliedung eine „überdurchschnittlich gute Entwicklung in allen Geschäftsbereichen“. Die 2.818 Mitglieder profitierten von einer Dividendenausschüttung von sieben Prozent. Auch der Abschluss und die Vermittlung von Bauspar- und Versicherungsverträgen stieg überdurchschnittlich. Die Immobilienabteilung der Volksbank vermittelte Objekte in Höhe von 6,3 Millionen DM, als Hausverwalter betreute die Volksbank mehr als 100 Wohnungen. Die Reiseabteilung hatte 1976 weit über tausend Reisen vermittelt. Insgesamt beschäftigte die Volksbank 1977 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 29 1978 erhielt Klaus Buchterkirche, der seine Karriere als Banklehrling in der Hauptstelle begann, Prokura.
In den 1980er Jahren baute die Volksbank Osterode ihre Marktstellung weiter aus. 1980 wurde die Elektronische Datenverarbeitung eingeführt, Kontokunden erhielten einen „Bankpass“ mit Lichtbild und Kontonummer.30
Doch die Wirtschaft, besonders die Landwirtschaft geriet in die Krise, die Zahl der Arbeitslosen nahm zu. In der zweiten Hälfte der Dekade erwärmte sich die Konjunktur und boomte schließlich. Die Volksbank Osterode profitierte von steigenden Investitionen und der Konsumlaune ihrer Kunden. So blieb es in den ersten Jahren nach dem Mauerfall. Der „Wiedervereinigungsboom“ bescherte auch der Volksbank Osterode steigende Erträge.
Während ringsum längst kleine Spar- und Darlehnskassen und einige Volksbanken mit früheren Raiffeisenkassen fusionierten, ging die Volksbank Osterode erst 1994 diesen Schritt und fusionierte mit der Raiffeisenbank Westharz zur Volksbank Osterode-Westharz eG.